20.03.2019 – Deutschland startet aktuell eine großangelegte institutionelle Gründerinitiative für Hochschulen. Das EXIST-Potentiale-Programm des Bundeswirtschaftsministeriums möchte drei Ziele erreichen: gründungsfördernde Strukturen aufbauen, regionale Vernetzungen zu initiieren und deutsche Hochschulen als „global player“ bei wissenschaftsbasierten Gründungen zu positionieren. Die Universität Greifswald hat sich erfolgreich um eine sechsmonatige Konzeptphase beworben. Wir haben den Fokus zunächst auf die ersten beiden Ziele zum Aufbau vernetzter Gründungsstrukturen gesetzt. Dies scheint für die Universität Greifswald erreichbar und realistisch, schauen wir auf die mittlerweile erfreulichen Erfolge bei Gründungsstrukturen und Start-ups. Dies schlägt sich auch in einem guten Abschneiden bei Gründerrankings nieder. Unrealistisch erschien uns jedoch, dass die Universität im Bereich wissenschaftlicher Start-ups auf internationalem Parkett punkten kann gegenüber den üblich Verdächtigen wie der TU München, dem KIT oder der FU Berlin.
Doch weit gefehlt: Gespräche mit vietnamesischen Medizin- und Pharmazie-Universitäten im Rahmen eines Erasmus+ Projektes, an dem sich die Universität mit der Universitätsmedizin gemeinsam mit dem Karolinska-Institut in Stockholm beteiligt, zeigen eine andere als die eigene vorsichtig zurückhaltende Sichtweise auf die Gründer- und Transferstrukturen der Universität. So sieht sich Vietnam in einer vergleichbaren Situation wie die östlichen Bundesländer nach der deutschen Wiedervereinigung: Strukturschwäche, im Aufbau begriffene Forschungsstrukturen, kaum Kooperationen mit Unternehmen und nahezu keine wissensbasierten Unternehmensgründungen aus Universitäten. Und auch wenn es Gegenstand des EU-Projektes ist, genau hier zu unterstützen, scheinen europäische Universitäten wie das Karolinska-Institut aus vietnamesischer Sicht als Beispiel von rein akademischem Interesse. Die dort vorhandenen Strukturen sind für Vietnam in absehbarer Zeit unerreichbar. „Lean Structures“ hingegen, wie sie an der Universität Greifswald bestehen, um studentische und wissenschaftliche Ideenträger für unternehmerische Selbstständigkeit zu sensibilisieren, zu motivieren und zu qualifizieren oder aber den Forschungs- und Entwicklungsbedarf von Unternehmen mit der Expertise der Universität zusammenzuführen, stoßen auf größtes Interesse. So wurde eben dies in den Fokus eines soeben bei der EU beantragten Folgeprojektes gerückt.
Was wir daraus lernen können ist, dass das an der Universität Greifswald Erreichte durchaus mit Selbstbewusstsein nach außen getragen werden kann. Dies gilt nicht nur gegenüber Schwellenländern wie Vietnam und nicht nur im Transferbereich. Auch in der Nachwuchsförderung, dem Mentoring, in innovativen Lehrformaten wie auch den Forschungsschwerpunkten und vielen anderen Bereichen hat die Universität Greifswald sich konkurrenzfähige Alleinstellungsmerkmale erarbeitet. Und dies wird uns von anderen bestätigt. Warum also nicht das Greifswalder Modell als internationaler Exportschlager für erfolgreichen Transfer?
Foto: Projektworkshop des Erasmus+ Projektes Edushare an der Hue University of Medicine and Pharmacy (Vietnam)
Fotograf: Dr. Stefan Seiberling
Text: Dr. Stefan Seiberling